Der Echte Seidelbast
L.
Wenn im frühesten Frühjahr, im noch winterlich kahlen Laubwald, ein
feiner süßlicher Blütenduft die
ersten Bienen und Hummeln aus dem Winterschlaf lockt, dann kann es
sein, dass dieser Duft den Wanderer in eine Traumwelt voller Fabelwesen
versetzt, wo liebliche Nymphen die winterlichen Hexen aus dem Walde
bannen und dem
Treiben der Erdgnomen Einhalt gebieten.
Die Quelle des Duftes
erblickt der Wanderer zwischen den mächtigen Buchen des Waldes an einem
kleinen, gerade einmal 1,50 m hoch werdenden Sträuchlein, an dessen oberen,
noch blätterlosen Trieben, kleine, purpur-rosafarbene, ungestielte Blüten
sitzen.
Man tut gut daran, den kleinen Strauch nicht zu berühren,
denn zum einen ist er streng geschützt und zum anderen stark giftig. Das
enthaltene Daphnin wirkt halluzinogen und diese Tatsache
bestärkte wohl auch den Volksglauben darin, dass der Hexerei mit Hilfe
dieses Krautes begegnet werden
könne.
Dieser kleine sagenumwobene Strauch verdiente einen
entsprechenden Namen und wurde nach einer Bergnymphe aus der
griechischen Mythologie benannt und als
Daphne
mezereum, im Jahre 1753, von Carl von Linné in Species Plantarum
erstveröffentlicht.
Der kleine Strauch gehört der Familie der Seidelbastgewächse
(Thymelaeaceae) an. Bei entsprechender Witterung
erscheinen die duftenden Blüten schon im Februar. Sie werden von den ersten langrüsseligen
Insekten des Jahres bestäubt. Was wir als Blütenblätter zu
erkennen glauben sind in Wirklichkeit 4 Kelchzipfel, Blütenblätter
fehlen. Die Frucht ist eine einsamige beerenartige Scheinfrucht, die im
Reifezustand hellrot leuchtet. Die ganzrandigen lanzettlichen Blätter
sind wechselständig an den jüngsten Zweigen angeordnet und sind oberseits hellgrün, die
Blatt-Unterseite ist eher graugrün.
Der
Echte Seidelbast bevorzugt lichte Laubwälder, Auwälder oder
Wald-Lichtungen. Er möchte einen nährstoff- und humusreichen,
kalkhaltigen, Lehm- oder Tonboden. Eine reichliche Mullauflage sollte das
Wurzelwerk feucht und warm halten.
Alle Pflanzenteile sind sehr
giftig, besonders die Rinde und die Samen in den appetitlich aussehenden
roten Beeren. Von tödlichen Vergiftungen wird berichtet.
Früher
wurden die Rinde und die Beeren als Abführmittel und äußerlich als
blasenziehendes Mittel verwendet.
Das Homöopathikum Mezereum findet
auch heute noch bei Hautkrankheiten, bei offenen Beinen und bestimmten
Schmerzzuständen Anwendung.