Die Bart-Schwertlilie
Die Kulturpflanze
Vom Mittelalter bis zum
Beginn der Neuzeit breiteten sich in der Toskana auf weiten Flächen
Irisfelder aus. Die blauviolette Iris germanica L., die hellblaue
Iris pallida Lam., allen voran jedoch die helle, fast reinweiße
Iris florentina L.,
wurden dort kultiviert. Letztere hat ihren Namen von der toskanischen
Hauptstadt Florenz.
Die sich im Rhizom dieser Pflanzen anreichernden
ätherischen Öle waren die begehrten Duftstoffe, die zur Parfümgewinnung
genutzt wurden. Der Irisanbau, die Verarbeitung der Rhizome und der
Handel mit den Iris-Produkten ließen Florenz zu einer wichtigen
Handelsstadt aufblühen.
In früheren Zeiten wurde Iris sehr vielseitig
verwendet: Die Anwendung bei der so genannten Wassersucht kannten sowohl
unsere Vorfahren als auch die indianischen Medizinmänner. In der
mitteleuropäischen Volksmedizin wird berichtet, dass
Irisrhizom-Zubereitungen die Blasentätigkeit anregen. Durch die
schleimlösende Wirkung sorgen sie für erleichtertes Abhusten bei
Bronchitis, des Weiteren sollen sie den Schlaf fördern. Zerstoßene
Irisblätter auf frische Verbrennungen aufgelegt, führen Linderung
herbei. Diese Wirkung kennen wir auch vom Schleim der Aloeblätter.
Besonders schöne und längliche Rhizomstücke wurden geschält, getrocknet
und kleinen zahnenden Kindern als Beißwurzel und Zahnhilfen gereicht,
und weil der Duft dieser getrockneten Rhizomstücke an Veilchenduft
erinnerte, nannte man sie auch Veilchenwurzel. Die frischen Rhizome
schmecken stechend scharf.
Während die Iris-Rhizome in der modernen
Medizin keine Rolle mehr spielt, werden in Kosmetika wieder öfter die
Inhaltsstoffe der Iris verwendet, vor allem in Pflegemitteln, welche die
Feuchtigkeitsregulation der menschlichen Haut unterstützen sollen.
Deshalb gibt es noch vereinzelt landwirtschaftliche Betriebe in Italien,
die Iris auf Feldern anbauen.
Bei den Standorten in Mitteleuropa
dürfte es sich um Auswilderungen aus der Kultur handeln. Aber auch im
Mittelmeerraum sind natürliche Standorte sehr selten.
Iris
pallida Lam. (die Bleiche Schwertlilie) wird auch Iris dalmatica
genannt, weil ihre Heimat in Dalmatien liegt.
Den Ursprung der
Deutschen Schwertlilie(Iris germanica L.) hingegen kennt man
nicht so genau. Mindestens seit dem 16. Jahrhundert wird sie als
Zierpflanze in Gärten angebaut und vermutlich seit noch längerer Zeit
als Heilpflanze. Ihre Vielgestaltigkeit und die Tatsache, dass sie
steril ist, also keine Samen bildet und sich nur über die Rhizome
vegetativ vermehren lässt, legt die Vermutung nahe, dass sie ein
natürlicher Bastard ist. Ihre Eltern sind unbekannt.
Die Bunte
Schwertlilie (Iris variegata L.) ist gelb, mit bräunlich bis
purpur gemaserten Hängeblättern. Sie kommt bei uns allenfalls verwildert
in aufgelassenen Weinbergen vor und stammt aus Südosteuropa. Iris variegata
L. bastardiert mit Iris pallida L. und die daraus entstandenen
Kreuzungen (evtl. ist auch Iris sambucina L. - die
Holunder-Schwertlilie - so eine Kreuzung) wurden schon ab dem späten
Mittelalter kultiviert.
Am Ende des 19. Jahrhunderts kreuzte der
englische Arzt und Botaniker Michael Foster (1836–1907)
Iris variegata L.
und Iris pallida L. mit weiteren asiatischen Arten, woraus die große Schar
der Kulturformen Iris barbata-Hybriden
entstanden.
Inzwischen hat die
Iriszüchtung eine lange und wichtige Tradition in der Gärtnerkunst und
steht der Kunst der Rosenzüchtung in nichts hinterher. Als ich das
Bartirissortiment der Gärtnereien studierte, kam in mir das Gefühl auf,
als hätten die Züchter schon alle möglichen Farbvariationen
herausgearbeitet: Alle nur erdenklichen Farbschattierungen gibt es
bereits, nur das reine Rot fehlt im Irisfarbenkreis.
Dann kommen die
Farbkombinationen mit unterschiedlichen Färbungen von Hängeblättern und
Domblättern. Auch Zeichnungen, wie Augen oder Flecken, die sich in einer
anderen Farbe meist von den Hängeblättern abheben, oder helle
Hängeblätter bekommen einen dunklerfarbigen Rand, oft aus farbigen
Punkten...
In der Hoffnung, Ordnung in das Farbengewirr zu bekommen,
erfand man dann auch eine Fachsprache: Amoena = weiße Domblätter, meist
dunklere, braune oder blaue Hängeblätter; Reverse Amoena = die
umgekehrte Version von Amoena; Bitone = Hängeblätter und Domblätter
haben unterschiedliche Tönungen der gleichen Farbe; Spiegel = heller
Bereich auf den Hängeblättern...
Um das Verlangen der Kunden nach
Neuheiten befriedigen zu können, machten sich nun die Züchter an der
Form der Irisblüte zu schaffen: Immer größer wurden die Blüten und immer
stärker kräuselten sich deren Blattränder.
Trotz aller züchterischen
Kunst ist für mich eines sicher: Farblich schöner und ästhetischer in
der Figur als u.a. die natürlich anmutenden Iris germanica oder Iris
pallida ist keine der sensationellen Neuheiten, und mir graut vor dem,
was da noch kommen mag. Womöglich gefüllte Irisblüten, bei denen der
faszinierende Iris-Blütenbau durch ein Gewirr von Blütenblättern
unkenntlich wird?
Das Rhizom
Unter einer vor Frost und Austrocknung schützenden Schicht fassrigerr Überreste der Laubblätter des Vorjahres finden wir die walzenförmigen Rhizome halb im Erdboden und waagerecht kriechend. Da nun ein Rhizom aus morphologischer Sicht aber keine Wurzel, sondern ein in der Länge gestauchter, verdickter und kriechend wachsender Spross ist, entdecken wir auf der Oberfläche eines Iris-Rhizoms (oder auch Iris-Knolle genannt) eine Wellenstruktur.
Bild links: Die Wellenstruktur, Nodien und
Internodien auf der Sprossknolle.
Bild rechts: An der Unterseite
findet man die Löcher oder Reste der Wurzeln.
Bild unten: Die
Tochterknollen bilden sich an beiden Seiten der Mutterknolle, An der
Rhizomunterseite entspringen die eigentlichen wurmartigen Wurzeln.
Diese
Wellen entsprechen den so genannten Nodien und Internodien (das sind die
Knoten und die Abschnitte zwischen den Knoten eines Sprosses). Nur an
den Nodien eines Sprosses bilden sich Blätter oder auch Wurzeln. Die
Überreste (Löcher oder Faserenden) der Leitungsbahnen, welche die
bereits abgestorbenen und abgefallenen Blätter durchzogen und hier in
die Knolle übergingen, sind auf der Knollenoberfläche noch zu sehen.
Genauso findet man an der Unterseite der Knolle die Löcher oder Reste
der Wurzeln.
Das Innere der Knolle ist weiß und mit einem klebrigen,
schmierigen und hygroskopisch wirkenden Saft durchzogen.
An der
Sprossspitze entfaltet sich ein Blattfächer und später ein Blüten
tragender runder Stängel. Hier endet das Längenwachstum des Rhizoms.
Blätter und Stängel ziehen im Herbst ein, trocknen aus, und deren faserige
Überreste bilden eine Mulchschicht, der die Pflanze
vor Austrocknung und Frost schützt.
An den Seiten der Knolle, im
vorderen Bereich, haben sich zwei Tochterknollen gebildet, die das
Wachstum im nächsten Jahr fortsetzen. Diese besondere Art der
Verzweigung nennt man dichotom, wir können sie auch bei der Mistel
beobachten. Dichotome Verzweigungen ergeben, wenn man sie immer weiter
fortsetzt, Kreise oder Kugeln.
An der Rhizomunterseite entspringen
die eigentlichen wurmartigen Wurzeln. Mit diesen verankert sich die
Pflanze fest im nährstoffreichen, kalkhaltigen, durchlässigen und eher
trockenen Lehm- oder Lössboden.
Sonnige und warme Lagen sind die
Lieblingsplätze der Bartiris. Stauende Nässe führt zur Fäulnis der
Knollen.
Erste Färbungen
Wie schon erwähnt, bildet
sich am vorderen Ende eines jeden Rhizoms ein Blattfächer. Schon im
Winter entdeckt man dort das erste Grün. Bald erkennt man drei
fächerartig angeordnete Blattspitzen. Im April ist der Fächer mit meist
5 Schwertblättern voll ausgebildet. Fast möchte man glauben, es handele
sich bei diesem Fächer um ein einziges Blatt. Jedes Schwert ist jedoch
ein Blatt für sich. Diese Tatsache wäre deutlicher sichtbar, wenn das
Längenwachstum des liegenden Sprosses nicht so gestaucht wäre und an
dieser Stelle nahezu stagnieren würde.
Bereits in diesem Stadium ist
die Blattfarbe der Irisblätter eigentümlich blaugrün. Es ist eine
Wachsschicht auf den Blattflächen, die diese Färbung hervorruft und die
Schutz gegen zu intensive Sonneneinstrahlung und gegen Austrocknung
bietet.
Sozusagen als Vorankündigung des Blühens finden wir bei
vielen blau oder lila blühenden Bartirisarten ein erstes Farbenspiel an
den Blattscheiden. Zuerst sehen wir dieses an der Basis des
Blattfächers, wo das Lila der sich später entfaltenden Blüte durch das
bereifte Grün des Blattes schimmert.
Irgendwann im Mai bemerken wir,
dass sich das mittlere Blatt des Fächers im unteren Drittel verdickt hat
und sich nun eine noch flache Blütenknospe aus dessen Blattscheide
drängt. Ein runder Stängel schiebt die anschwellende Knospe immer weiter
empor, die sich dabei enthüllt und die sichelförmigen Hochblätter am
Stängel zurücklässt. Auch diese Hochblätter zeigen oft das Farbenspiel
an ihren Blattscheiden. Die letzten Hüllen (Hochblätter) der Knospe sind
fein und dünn wie Pergament.
Was bedeuten aber diese ersten
Färbungen?
Wenn bis zur Rhizomspitze das Längenwachstum so
zurückgehalten und gestaucht ist, dass Nodien und Internodien nur noch
als kurze Wellenstruktur auf der Rhizomoberfläche erkennbar sind, so ist
es jetzt der plötzlich einsetzende Blühimpuls (Blühinduktion), der den
liegenden Spross zum Richtungswechsel himmelwärts veranlasst und ihn als
runden Stängel zum heftigen Längenwachstum anregt.
Das gleiche
Phänomen des plötzlich einsetzenden Längenwachstums beobachten wir, wenn
ein Kopfsalat „schießt“, um kurz darauf zu blühen.
Genau das
Gegenteil geschieht z.B. bei den Rosen und auch bei den Korbblütlern, wo
das Längenwachstum kurz vor der Blüte stagniert und so die Kelchblätter
gebildet werden, die morphologisch gesehen nichts anderes sind als
zurückgebildete, bzw. verfeinerte Laubblätter, die eng aufeinander
folgend am Spross angeordnet sind.
Dieser Blühimpuls, der unter
anderem von der Belichtungsdauer der Pflanze beeinflusst wird, bringt
dann auch die Blütenfarbe mit ins Spiel. Da er bei der Iris bereits an
der Rhizomspitze mit aller Kraft einsetzt, beginnt sich da die erste
Färbung niederzuschlagen.
Dieses "Vorwegnehmen" der Blütenfärbung
zeigt sich uns ganz besonders deutlich am Beispiel vieler
Wolfsmilcharten (Euphorbia), zu denen auch der beliebte Weihnachtsstern
(Euphorbia pulcherrima) gehört: Bei ihm sind bereits die blütennahen
Laub- oder Hochblätter so stark eingefärbt, dass nachher für die Blüte
selbst "nichts mehr übrig bleibt" und diese ohne Blütenblätter auskommen
muss und auch kann, denn die bunten Hochblätter sind ein vollwertiger
Ersatz.
Zum Glück aber verhält sich die Iris beim Vorwegnehmen der
Blütenfarbe nicht so verschwenderisch – das Wunderbarste würde uns
vorenthalten.
Der Hochzeitstanz
So wie auch die Braut den
Hochzeitstanz eröffnet, so beginnt auch die ranghöchste, also oberste
und endständige Blüte am Spross sich als erste zu entrollen. Die
Bewegung, mit der sich die drei äußeren Blütenblätter nacheinander nach
unten wenden, kann mit bloßem Auge beobachtet werden. Mit dieser Gebärde
fordert die Pflanze – es ist Damenwahl – Wesen aus der Insektenwelt und
namentlich die Hummeln zum Tanz auf. Die meist farbenprächtige Maserung,
die so genannten Saftmale, sind für die Insekten die Wegweiser zum
Nektar und scheinen diese geradezu an- bzw. einsaugen zu wollen.
Hummeln stellen sich beim Tanzen jedoch eher etwas plump an. Deshalb
bildeten sich bei der Bartiris auf der Mittellinie ihrer Hängeblätter
meist goldgelb leuchtende bärtige Auswüchse, an denen sich die Hummel
beim Eindringen in die enge Blütenöffnung festkrallen kann. Diese Bärte,
welche für die Namengebung der Bartirisarten verantwortlich sind, werden
oft irrtümlich für pollenbildende Staubblätter gehalten. Wie
wir aber schon erfahren haben, befinden sich die Staubblätter
unter den blumenblattartigen Griffelblättern.
Die großen Domblätter,
wie sie für die Bartirisarten charakteristisch sind, stellen sich auf,
wie ein stolzer Schwan seine Flügel aufstellt, wenn er beeindrucken
will. Der dreigliedrige Innenraum, der dabei entsteht, ist so
ästhetisch, dass die Bezeichnung „Dom“ durchaus treffend ist.
Erst
jetzt entrollen sich die anderen Blüten des Blütensprosses, die von
ihrem Blütenstängel aus den Blattachseln der Hochblätter geschoben
wurden. Manchmal sind es drei oder aber auch fünf Blüten, die ein Spross
hervorbringen kann.
Verblühen, um zu reifen
Im Blumengarten
Wenn wir Bartirisarten im
Garten anpflanzen wollen, so suchen wir einen Platz, der sonnig und warm
ist und an dem das Wasser gut abziehen kann. Fast jeder Gartenboden ist
geeignet. Ideal sind kalkhaltige Lehmböden. Nur saure oder moorige Böden
dürfen es nicht sein.
Die richtige Pflanzzeit ist August und
September, denn zu dieser Zeit sprießen die neuen Wurzeln aus den
Rhizomknollen und das Laub zieht allmählich ein. Auch zu groß werdende
Wurzelstöcke können zu dieser Zeit geteilt und auf diese Weise einfach
vegetativ vermehrt werden. Die jungen Rhizomstücke pflanzen wir so, dass
sie kreisförmig auseinander wachsen. Die Knollen dürfen nur ganz flach
gepflanzt und nicht völlig mit Erde bedeckt werden. Würden wir die
Pflanzung nicht so gestalten, dass sie am Ende eine leichte Erhebung
bildet, so würde durch das Zusammensinken der frischen Erde eine Mulde
entstehen, in der sich das Wasser ansammelt und so zur Fäulnisbildung an
den Knollen führen könnte.
Als Düngung eignet sich ein sehr gut
ausgereifter Kompost, von dem
schon beim Pflanzen reichlich verabreicht werden sollte. Stickstoffbetonte Pflanzendünger oder Mist sollte man
nicht anwenden. Sie fördern die Rhizomfäulnis und sind auch nicht
notwendig. Wenn überhaupt, dann kann ein phosphor- und kalibetonter
Volldünger im April vor der Blütezeit und eher sparsam verabreicht
werden.
Allzu penible Gartenfreunde mögen sich dazu verleitet fühlen,
die goldbraun absterbenden Laubblätter von den Rhizomen wegzuräumen. Sie
entfernen damit jedoch den Mulch, der die Rhizome im Sommer vor zu
aggressiver Sonneneinstrahlung und vor dem Austrocknen schützt und im
Winter einen wärmenden Naturfasermantel und Frostschutz darstellt.